Kolumnen / Autorenleben

Eine Heimat finden.

Standard, 4. Juli 2017, Tasmetu,7064 Views2 Comments

In den letzten Wochen war das Thema Heimat bei mir mehr als präsent. Es war ein zentrales Thema meiner Bachelorarbeit und hat mir viel zum Nachdenken gegeben. Was ist Heimat eigentlich? Und wieso habe ich das Gefühl, mehr als eine zu haben? 

Ich begann meine Bachelorarbeit mit einem Zitat von Michael Jackson (nicht der Sänger :D), das grob übersetzt bedeutet: „Wir Leben in einem Zeitalter des Aufbruchs. Überall auf der Welt leben immer weniger Menschen dort, wo sie auch geboren wurden. Noch nie war die Frage nach Zugehörigkeit so wichtig.“

Im Laufe der Arbeit stellte ich mir also immer wieder die Frage: Wohin gehöre ich eigentlich? 

Wo ich bin

Es ist eine Frage, die mich schon sehr lange beschäftigt. Dabei habe ich keinen Migrationshintergrund, wohne mein Leben lang in einem Vorort Münchens, habe in Deutschland Freunde und Familie, habe hier meine Ausbildung abgeschlossen und kenne meine „Heimatstadt“ in und auswendig. Trotzdem ist da eine Rastlosigkeit in mir. Als sei das noch nicht alles. Als wäre das hier nur eine von vielen Heimaten. Es ist ein sehr tiefgreifendes Gefühl, was mich gleichzeitig unruhig und friedlich werden lässt.

Es gibt einige andere Orte, an denen ich mich Zuhause fühle. An denen mein Herz aufblüht, sobald ich nur an sie denke. Dabei sind mir diese Orte bei weitem nicht so vertraut wie mein Wohnort. Ich kenne dort niemanden. Teilweise spreche ich die Sprache nicht. Aber wenn ich dort bin, bin ich Zuhause. Da gehöre ich hin und ich spüre es mit jeder Faser meiner selbst. Dies sind die Plätze der Welt, an die ich gehöre und an die ich mein Herz für immer verloren habe.

Wo ich sein möchte

Würde ich an etwas wie Wiedergeburten glauben, könnte man davon ausgehen, dass ich schon einmal dort gelebt habe. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass eine Heimat etwas mit „dort leben / wohnen“ zu tun hat und erst recht nichts damit, ob man dort geboren ist. Für meine Arbeit habe ich mich viel mit digitalen Nomaden beschäftigt und für sie war Heimat fast immer mit Menschen verbunden, nicht mit einem Ort. Dort, wo die Menschen waren, die sie liebten, waren auch sie Zuhause. Ich mag den Gedanken, kann ihn auf mich aber nur bedingt anwenden. Bisher sind es hauptsächlich Orte, die mich immer wieder anziehen und mich ohne Grund plötzlich lächeln lassen. Orte, bei denen ich aus dem Flieger oder dem Auto aussteige, tief durchatme und von Endorphinen und innerem Frieden völlig überrollt werde. Die Düfte, die Aussicht, das Gefühl der Sonne oder des Windes auf meiner Haut, das Pflaster unter meinen Füßen, die Geräusche, die Musik, das Essen, die Supermärkte, all das. Jedes Detail, egal ob es mir vertraut ist oder nicht, heißt mich willkommen. Und ich fühle mich so, als sei ich angekommen.

Aber wie entsteht dieses Gefühl von Heimat? Daniel Schreiber, den ich ebenfalls in der Arbeit zitiere, kam nach der langen Suche nach Zugehörigkeit zu dem Schluss, dass man sich eine Heimat erarbeiten muss. In dem man seine Wohnung einrichtet, die Gegend erkundet, Freunde findet, dort wahrhaftig lebt. Stimmt das? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass die stärksten Heimatgefühle, die ich jemals hatte, bei mir aufkamen als ich an einem mir damals noch vollkommen fremden Ort aus dem Flieger stieg. Ich wusste nichts über diesen Ort, war noch nie dort gewesen, kannte niemanden, sprach eine andere Sprache und wusste, dass ich nur 14 Tage bleiben würde. Aber ich setzte einen Fuß auf diesen Flecken Erde und es war wie ein Stromschlag. Das ist mein Zuhause. Es war, als wäre meine Seele endlich dort, wo sie immer hatte sein wollen.
Es war ein vollkommen bizarres Gefühl. Aber es war real. Und es verstärkte sich in den nächsten Tagen immer mehr und es hat bis heute, einige Jahre später, kein bisschen nachgelassen.

Wo ich hingehöre

Gehöre ich also an diesen Ort? Sollte ich meine Sachen packen und dorthin ziehen? Nein, ich denke nicht. Ich bin in München genauso Zuhause wie noch an anderen Orten. Sie alle sind meine Heimat. Ich könnte nicht behaupten, dass die ganze Welt meine Heimat ist, wie das im Kosmopolitismus gesehen wird, aber eben doch an mehr als einem Ort. Am Ende gehöre ich nur dahin, wohin mein Herz mich trägt, so furchtbar kitschig das auch klingen mag. Es sind Orte der Liebe und der Ruhe für mich, Orte an denen ich ich sein kann. Orte, an denen ich glücklich bin und das Leben genießen kann. DAS ist für mich Heimat.

 

Was bedeutet Heimat für euch?

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2 Kommentare

  • Antworten Sophia 4. Juli 2017 um 12:12

    Für mich war Heimat auch lange Zeit die Gegend/Stadt, in der man einfach geboren oder zumindest aufgewachsen ist. Ich komme aus NRW und aus einer mittelgroßen Stadt ca. 30km entfernt von Düsseldorf und bin dort auch aufgewachsen und habe dort gelebt, bis ich 21 war. Aber irgendwie hat es mich schon immer nach Düsseldorf gezogen. Meine Eltern waren getrennt und ich war ohnehin jedes Wochenende bei meinem Vater in Düsseldorf und dachte immer, wie viel schöner es wäre, würde ich auch dort wohnen. Ich fand es immer toll, die Skyline zu sehen, wenn man von der Autobahn aus über den Rhein fuhr und sich Düsseldorf vor einen ausbreitet. Ich würde sagen ,dass ich mich richtig in Düsseldorf verliebt habe. Als ich dann mit 21 hergezogen bin, habe ich mich endlich (oder schon?) gefühlt, als sei ich angekommen. Jetzt bin ich 25 und am Ende meines Studiums und mich plagt die Frage (und Angst), ob ich Düsseldorf für meinen Traumjob vielleicht den Rücken zukehren muss. Ich habe eine bestimmte Richtung, die ich einschlagen will und Städte wie Frankfurt oder München wären da deutlich besser für mich. Aber ich erträume mir auch, dass ich mich vielleicht selbstständig machen und weiterhin von Düsseldorf aus arbeiten könnte. Nur in einer anderen Wohnung. Mit eigenem Home Office. Und eben in der Heimat.

  • Antworten Aurelia 5. Juli 2017 um 13:47

    Heimat ist so ein merkwürdiger Begriff. Ich bin als Kind (innerhalb von Bayern) immer wieder umgezogen, habe lange im Grenzgebiet gewohnt, meine Familie ist quer durch Deutschland, z.T. sogar Europa gestreut und in dem oberbayrischen Kaff, in dem ich aufgewachsen bin, gilt man sowieso nur richtig als heimisch, wenn man boarisch spricht (Fehlanzeige bei mir) und am besten mindestens in der dritten Generation da lebt. (Ich würde mich aber auch z.B. niemals als Bayerin, sondern immer als Deutsche bezeichnen, das ist auch schonmal anders als viele Leute, mit denen ich da aufgewachsen bin.) Ich kenne viele Leute, mit denen ich z.B. zur Schule gegangen bin, die jetzt im Studium an anderen Orten z.B. die Alpen vermissen usw., was mir absolut nicht so geht. Wenn ich meine Familie besuche, freue ich mich auf die und auf alte Freunde, die ich wieder mal treffe. Nicht auf eine konkrete Gegend, die finde ich sogar eher nervig. Wenn die alle mal an einem anderen Ort leben, werde ich höchstwahrscheinlich auch mein Heimatkaff nicht mehr betreten. Von daher würde ich für mich auch meine Familie als meine „Heimat“ definieren, andererseits fühle ich mich z.B. auch an einzelnen Orten zu Hause, unabhängig von den Menschen, weil ich an den Ort sehr positive Erinnerungen habe. Dazu kommt, dass ich (nachdem ich auch schon im Studium inzwischen mehrmals umgezogen bin und einmal dabei auch die Stadt gewechselt habe) es mir immer da gemütlich mache, wo ich bin. (Eine Wohnung kann ich mir immer schön und zu einem Zuhause machen. )
    Ich wüsste also nicht, ob ich tatsächlich eine Heimat im engeren Sinne habe. Ich habe mehrere Umgebungen, an denen ich mich zu Hause fühle, aber Heimat als Begriff ist für mich immer so tiefgreifend und ortsgebunden (und auch nochmal stärker als Zuhause), deshalb weiß ich gar nicht, ob oder wie ich das für mich genau festlegen würde.

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