Kolumnen / Autorenleben

Die Wege des Glücks

Standard, 13. April 2017, Tasmetu,6264 Views5 Comments

Manchmal ist das Leben nicht fair. Während es im Internet so scheint, als seien alle anderen glücklich, erfolgreich und immer voller Motivation (was natürlich nur eine Illusion ist), geht im eigenen Leben oft mehr schief, als man es sich wünscht. Und zwischen den vielen, vielen Gedanken, die man dazu haben kann, tauchte bei mir oft dieser hier auf: Vielleicht wäre das alles nur halb so wild, wenn ich eine andere Einstellung hätte. 

Ich weiß, dass ich nicht gerade der optimistischste Mensch bin und dass ich mich gerne in Situationen (glücklicherweise gute und schlechte) reinsteigern kann. Ich weiß, dass mich mein kaputtes Smartphone vollkommen as der Bahn geworfen hat, weil ich mir eigentlich gerade kein neues leisten kann. Oder dass eine negative Mail mich neulich ganze drei Tage zu einer weinenden Grumpy Cat hat mutieren lassen. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass momentan viel zusammenkommt, aber darum geht es heute nicht und Rechtfertigungen sind sowieso selten sinnvoll.

Also. Liegt es an meiner Einstellung? Denke ich einfach zu negativ? Habe ich nicht gelernt mit Wut / Angst / Trauer / Stress / negativen Gefühlen / Ablehnung / Verlust umzugehen? Kann ich das lernen? Wenn ja, wie? Wie werde ich zu der starken, glücklichen Person, die ich gerne sein möchte?

Ganz einfach…. Oder?

Ich sprach mit Freunden. „Naja, du machst dir halt einfach zu viele Gedanken!“ / „Entspann dich mal“ / „Mach dir nicht so viele Sorgen, das wird schon.“ / „Das ist ne schlechte Phase. Zähne zusammenbeißen und durch.“ waren die Antworten. Alle lieb gemeint und von Herzen kommend, aber leider wenig hilfreich. Es klingt einfach „sich weniger Sorgen zu machen“, ist es aber nicht. Wer die Veranlagung hat, zu viel nachzudenken und kritisch alles zu hinterfragen, kann das nicht ausschalten. Wir sind keine Roboter.

Auch sonst hieß es überall, dass es gar nicht so schwer sei, seine Einstellung zu ändern. Man solle einfach Situationen nicht so negativ sehen. In stressigen Situationen tief durchatmen, das Positive im Negativen finden und dann sei alles schon viel leichter und besser. Manchmal hilft das. Manchmal aber auch nicht.

Und ich bin mir sicher, dass es nicht so einfach geht, seine Einstellung zu ändern. Denn unsere Denkweise, die Muster und Strukturen mit denen unser Gehirn Daten verarbeitet, haben sich über viele Jahre entwickelt. Ereignisse, Umstände und Menschen haben sie geprägt. Sie ist ein Teil unserer Persönlichkeit und demnach nicht mal eben schnell mit drei tiefen Atemzügen veränderbar. Aber die Tatsache, dass sie sich entwickelt hat, zeigt uns, dass wir sie verändern können. Wenn auch nicht so schnell.

Mit den Füßen im Wasser

Meine beste Freundin empfahl mir vor einigen Wochen einen Podcast. „Happy, holy, confident“ von Laura Seiler. Klingt doch schon mal richtig, richtig gut, oder? Ich stürzte mich in die erste, zweite, dritte, vierte, fünfte, sechste, zwanzigste Folge. Ich wollte glücklich sein und der Podcast versprach Hilfe bei diesem Weg. Mehrere Tage tat ich nichts anderes, außer Lauras Stimme zu lauschen, zuzuhören und mein Leben zu überdenken. Und es half. Ich war selbst vollkommen überrascht, aber ich veränderte mich. Allerdings nicht auf Dauer. Irgendwann verfiel ich wieder in meinen Alltag, hörte aufgrund von Zeitmangel auf, den Podcast zu hören, in dem sich mittlerweile ohnehin sehr viel wiederholte. Aber ich hatte das Gefühl den ersten Schritt gemacht zu haben. Ich stand schon einmal mit den Füßen im Wasser des Ozeans, in dem ich Schwimmen lernen wollte.

Ein weiterer Schritt war es, Bücher zu dem Thema aufzuspüren. Die Bandbreite an Selbsthilfe- und Selbstliebe-, und auch psychotherapeutischen Büchern, ist endlos und gerade noch dazu voll im Trend (Auch wenn psychische Erkrankungen nicht als Trend gesehen werden sollten – aber das ist ein anderes Thema). Ich durchsuchte YouTube, suchte nach motivierenden Channels die sich dem positiven Lebensstil verschrieben hatten und klickte mich durch die Buchempfehlungen. Ein Buch lachte mich besonders an. „The Universe has your back – How to feel safe and trust your life no matter what“* von Gabrielle Bernstein. Der Titel packte mich sofort. Universum. Sich sicher fühlen. Beständigkeit. Vertrauen in sich selbst. Unerschütterlichkeit. Also kaufte ich es.

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The Universe has your back

Das Buch ist nicht gerade dick, aber ich habe unzählige Gedanken dazu. Ich werde versuchen, mich auf das wichtigste zu konzentrieren: Gabrielle Bernstein ist (was ich vorher nicht wusste) eine spirituelle Persönlichkeit. Sie gibt, ähnlich wie Laura Seiler, Workshops, Kurse und hält Reden. Für sie hat glücklich sein viel mit Glauben zu tun, auch wenn dieser nicht an eine Religion gebunden sein muss. Aber der Glaube an etwas Höheres, Mächtigeres, auf das man vertrauen kann, ist ein essenzieller Bestandteil ihrer „Lehre“. Ich versuchte mich beim Lesen auf diesen Gedanken einzulassen, aber es klappte nicht. Ich bin nicht fähig, meine Verantwortung an etwas „Höheres“ (wie auch immer man das definieren möchte) abzugeben. Bernstein würde das mit Kontrollsucht und negativer Denkweise betiteln und sagen, dass es genau deshalb meine eigene Schuld ist, dass mein Leben so ist wie es ist. Wenn ich auf das Universum (oder was auch immer) vertraue, dann geht alles von allein. Es schickt dir Zeichen und Gelegenheit und einfach alles, was du zum Glücklichsein brauchst. Aber ich ticke nicht so. Ich bin jemand, die handeln muss. Ich kann mich nicht zurücklehnen und sagen „Das Universum macht das schon für mich.“
Bernstein sagt, man solle mal einen Tag versuchen, dem Universum blind zu vertrauen. Dann würde man schon merken, dass die Zeichen kommen und alles besser wird. Ich probierte es. Und bekam kein Zeichen. Das Universum leitete mich nicht, ich bekam weder Erleuchtung noch Erleichterung.
Natürlich ist es schön, die Verantwortung für das eigene Leben abzugeben. Das ist sicherlich entspannend und befreiend. Aber nicht mein Weg.

Es gibt noch andere Probleme, die ich mit Bernsteins – aber auch anderer spiritueller – Denkweisen habe. Um nur ein Beispiel zu nennen: Dieses „Gib mir dein Geld und ich mache dich glücklich“. Das wird selten so direkt kommuniziert, ist aber immer da. Bernstein macht das z.B. sehr geschickt: Alle Beispiele von glücklichen Menschen, die sie aufführt, sind durch ihre Hilfe so geworden. Weil sie ihre Bücher gelesen, ihre Workshops besucht und ihre Talks verfolgt haben. Weil sie beten, meditieren, Mantras murmeln und das Universum „machen lassen“. Oder weil sie das Privileg haben, Bernstein als Freundin betiteln zu können. Sie bietet den Weg an, um glücklich zu werden. Wenn du ihr Geld gibst, nimmt sie deine Hand und führt dich ins Licht. Oder so.
Versteht mich nicht falsch. Ich verstehe, dass auch diese Menschen Geld zum Überleben brauchen. Und ja, ich habe auch ein wenig aus dem Buch mitnehmen können, auch wenn es mein Leben jetzt nicht wirklich verändert hat. Ich finde es wundervoll zu sehen, dass es diese Community gibt und dass er so viele Menschen ein Stück weit glücklicher werden lässt. Es motiviert mich, wenn andere auf diesem Weg ihr Glück finden und ich bin überzeugt, dass es viele Menschen gibt, für die genau das (oder ein anderer spiritueller / esoterischer / wie auch immer) der richtige Weg ist. Ich gehöre allerdings nicht zu ihnen.

Mein Weg – einer von vielen

Ich glaube an das Universum. Aber nicht als höhere Macht, die sich irgendwie um mein Leben und mein Schicksal schert und mir Zeichen schickt, wenn ich nur fest genug daran glaube. Ich glaube daran, dass unsere Probleme im Vergleich zur Größe und Vielfalt und Unendlichkeit von Sternennebeln, dunkler Materie, Energie, pulsierenden Feuersternen, massiven schwarzen Löchern, Galaxien die in der Physik gar nicht existieren dürften und der schieren Weite und Unfassbarkeit des Alls, eigentlich vollkommen nichtig sind.

Diese Erkenntnis allein macht mich noch nicht glücklich. Und ich suche noch nach dem einen Weg, der mich in eine Richtung lenkt, in der ich von Herzen sagen kann „Ich bin glücklich, so wie es ist“. Wo mich E-Mails und kaputte Smartphones nicht mehr so sehr aus der Ruhe bringen wie heute. Ich werde weiter Bücher in die Richtung lesen, egal ob spirituell oder Fachbuch. Ich werde weiter dazu lernen und einen Schritt nach dem anderen machen. Und eines Tages werde ich im Ozean des Lebens schwimmen können.

Denn wenn ich eine Lektion aus meinen bisherigen Versuchen gelernt habe, dann ist es diese hier: Es gibt nicht den einen Weg zum Glück. Es gibt unzählige Wege. Es mag sein, dass Meditationen und andere Faktoren helfen, uns frei zu fühlen und loslassen zu können. Aber im Endeffekt sind das alles nur Stützen und Hilfen, die uns den Weg erleichtern (können). Am Ende des Tages geht jedoch jeder seinen eigenen Weg. Und das ist gut so.

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5 Kommentare

  • Antworten Melanie 13. April 2017 um 10:45

    Ich glaube daran, dass positive und negative Gedanken das Leben bestimmen. Aber es geht nicht nur um das denken, sondern man muss es fühlen. Aber dass ich dem Universum mitteile, ich bin jetzt glücklich oder reich. Davon bin ich auch nicht zu 100% überzeugt. Bis jetzt glaube ich noch, dass da nicht nur der Glaube dahinter steckt, sondern auch ein Prise Glück und viel Arbeit.
    Das ist auch ein Thema, das mich sehr beschäftigt und worüber ich noch viel lesen möchte.
    Ein Buch, das ich selbst gelesen habe ist, „Die Kunst der Selbstmotivierung“. Lass dich nicht vom Titel abschrecken. Das Buch sehr viel mehr. Mir hat es geholfen, vieles aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Unter anderem, dass es schädlich sein kann nur positiv zu denken und hilfreich auch das Negative zu sehen.

    • Antworten Tasmetu 25. April 2017 um 9:20

      Liebe Melanie,
      danke dir für deinen lieben Kommentar :) Und ja, Gedanken sind der erste Schritt, denn aus ihnen werden Emotionen und aus diesen werden Handlungen.
      Mh, so meinte sie das nicht. Sie meinte nicht „Sag dem Universum was du willst“, sondern dass man quasi nicht mehr so verbissen sein soll. Wenn man an diese höhere Macht glaubt, würde sie einem Zeichen und „Zufälle“ schicken, die einem dabei helfen, seine Träume zu verwirklichen. Oder so. Sie spricht sich in dem Buch stark gegen das aus, was wir in unserer Gesellschaft immer lernen: Dass du nur dann Erfolg haben kannst, wenn du richtig hart dafür arbeitest. Sie meinte, dass nicht Blut und Scheiß und Tränen Erfolg bringen, sondern das Vertrauen in eine höhere Macht. Und so nett ich diesen Gedanken finde, aber weil ich eben nicht an eine höhere Macht glaube, die sich für jedes Individuum unseres Planeten interessiert, konnte ich hier ihren Gedanken nicht zustimmen.
      Und danke für den Buchtipp, das sehe ich mir mal an :)

  • Antworten Anja 14. April 2017 um 10:03

    Ich erkenne mich in deinem Text total wieder. Ich kann auch ziemlich gut grübeln, mich in Sachen reinsteigern und eine Gedankenspirale heraufbeschwören, aus der ich mich tagelang nicht befreien kann. Und genau wie du glaube ich nicht an eine höhere Macht. Ich bin nicht religiös und dass das Universum auf mich aufpasst, kann ich mir auch nicht vorstellen. „Jeder ist für sein Schicksal selbst verantwortlich“ erscheint mir sehr viel realistischer.

    Das vorgestellte Buch klingt furchtbar, wie kann die Autorin so anmaßend sein und behaupten, dass nur ihr Weg der richtige ist? Klingt wirklich ziemlich nach Geldmacherei.

    Ich bin mir sicher, dass wir auch ohne Gott und Universum unseren Weg finden werden, solange wir nur nicht aufgeben, daran zu glauben (ha, das passt ja :‘) ). Lass dir auf keinen Fall was anderes erzählen!

    • Antworten Tasmetu 25. April 2017 um 9:25

      Liebe Anja,
      danke dir. :) Und schön, dass du dich wiederfinden konntest, auch wenn es ja jetzt kein rein positiver Text war ;) Ich bin auch eher bei deiner Schicksals-Theorie als bei allem anderen.
      So furchtbar finde ich es gar nicht, es hatte ein paar interessante Denkanstöße parat. Nur die ständige Wiederholung von „Das Universum macht das schon, wenn du nur dran glaubst und betest und meditierst“ hat mich irgendwann gestört. Und die Geldmacherei auch ein wenig. Sie war wie gesagt nicht wirklich direkt In-your-face-mäßig, aber die Tatsache, dass das nicht ihr erstes Buch dieser Art ist, spricht glaube ich schon Bände. Wer immer wieder Bücher mit dem gleichen Inhalt neu verkauft, will nur das Geld.
      Wir finden auf jeden Fall einen Weg. :)

  • Antworten Dominique Clarier 22. Juli 2017 um 9:24

    Liebe Tasmetu,
    es ist gut und wichtig, dass du dir so viele Gedanken machst, selbst wenn es ab und an negative sind. Nachdenken, sich hineinversetzen in Situationen und in Personen, Vor- und Nachteile abwägen … All das ist doch grundlegend für deine Tätigkeit als Autorin. Nur dann bekommen deine Werke die nötige Tiefe. Vielleicht kannst du das Nachdenken einfach einmal als Vorstufe zur Kreativität sehen. Dann bekommt es einen ganz anderen Sinn und du fühlst dich viel besser damit. Liebe Grüße, Dominique.

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