Kolumnen / Autorenleben

Abschied nehmen

Standard, 26. Januar 2016, Tasmetu,9358 Views7 Comments

Egal, wie lange man es vorher wusste. Egal, wie viel man sich damit beschäftigt hat. Egal, wie oft man es schon erleben musste. Es trifft einen immer unerwartet. Der Tod eines geliebten Menschen. 

Es tut unfassbar weh, wenn jemand aus dem Leben gerissen wird. Sei es nun vollkommen plötzlich bei einem Unfall oder langsam und schleichend wie bei einer Krankheit. Für alle, die ohne diese Person weiterleben müssen bleibt im ersten Moment nichts weiter als Schmerz. Wie Glasscherben, die sich in die Haut bohren. Wir sind überfordert, wissen nicht mehr was wir tun sollen oder wollen, obwohl es so viel zu tun gibt. Die Welt hält nicht an, egal wie weh es tut. Wir müssen weitergehen, auch wenn wir verlernt haben wie gehen überhaupt funktioniert, ist doch nun ein riesiges Loch in unserem Leben. Nichts kann es füllen, egal wie viele Tränen wir vergießen.

Und das ist okay. Jeder Mensch hat das Recht zu trauern.

Der Tod ist etwas natürliches. Jeder von uns wird eines Tages sterben und Menschen, die wir lieben, zurücklassen. Das ist eine Tatsache, mit der die wenigsten von uns umgehen können. Aber wieso? Gehört der Tod doch zum Leben wie auch die Geburt. Wieso können wir dann mit dem Tod nicht umgehen?

Weil wir nicht wissen, wie man sich verabschiedet. Wir können nicht loslassen. Und desto schöner etwas ist, desto schwerer ist es. Einen geliebten Menschen gehen zu lassen ist für uns so unvorstellbar, als würde man aufhören zu atmen.

Die Menschheit hat nie gelernt, wie man Abschied nimmt.

Denn es gibt kein richtig und kein falsch. Es gibt kein richtiges trauern, kein richtiges Abschied nehmen.
Doch wir dürfen auch einmal über den Tellerrand blicken. Nehmen wir die Beerdigung Nelson Mandelas als Beispiel. Dort feierten die Menschen, anstatt zu weinen und zu leiden. Nur die westlich orientierten bekannten Gäste waren in schwarz gekleidet und trugen farblich passende Trauermienen zur Schau. Als es zu regnen begann sprachen unsere Medien davon, dass der Himmel mit den Trauernden weinte und dass dies alles nur noch trauriger mache. Doch die anderen, die, die nicht aus Europa kamen, haben den Regen gefeiert. Denn für sie ist Regen nichts schlechtes, im Gegenteil. Regen bedeutet Hoffnung.

Und sie feierten das Leben dieses großen Mannes, anstatt Tränen über seinen Tod zu vergießen. Natürlich waren viele traurig, dass er nun nicht mehr da war und doch lachten, tanzten und sangen sie über und für diese einzigartige Seele.
Ich verlange von niemandem, dass er auf der nächsten Beerdigung anfängt zu tanzen. Doch manchmal hilft es zu sehen, dass man dem Tod auch anders gegenübertreten kann. Dass man das Leben feiert, das der Tote geführt hat. Dass man glücklich über die gemeinsame Zeit ist. Dass der Verstorbene zwar eine Lücke hinterlässt, diese jedoch mit seiner Persönlichkeit ausgefüllt hat. Dass diese Lücke nicht leer ist. Diese Person hat uns so viel gegeben, halten wir das in Ehren. Nur die körperliche Hülle des anderen ist nun leer. Nicht aber der Platz in unseren Herzen.

Vergesst die Todestage. Feiert die Geburtstage!

Generell sollten wir öfter einmal über das Vergangene lächeln anstatt die Gegenwart zu betrauern. Das Loch, das Verstorbene hinterlassen schmerzt und wird nie verschwinden. Das muss es auch nicht. Es sind Erinnerungen, die die Verstorbenen in unseren Herzen lebendig halten. Doch wenn wir uns das nächste Mal an eine bestimmte Situation erinnern, sollten wir nicht darüber weinen, dass es so nie wieder sein wird. Freuen wir uns darüber, dass es so war. Feiern wir das Leben, dass diese Person gelebt hat. Feiern wir die gemeinsame Erinnerung, feiern wir die gemeinsamen Momente.

Es gibt keine Worte, die Wunden heilen.

Da die Menschen nie gelernt haben, Abschied zu nehmen, haben wir auch nie Worte dafür gefunden. Es gibt keinen Ersatz für das obligatorische und oberflächliche „Es tut mir leid“ oder „Mein Beileid“. Aber selbst wenn wir bessere Wörter dafür hätten, die die Gefühle besser ausdrücken könnten, würden sie immer noch nicht heilen können. Wunden heilen langsam. Und Wunden tun weh. Um zu heilen braucht es Menschen, die da sind. Mit denen man Schweigen kann. Mit denen man sich ohne Worte versteht. Und viel Zeit. Nehmt euch die Zeit, aber vergesst nicht, dass das Leben wundervoll ist.

Für alle, die schon einmal jemanden verloren haben.

Für A.

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7 Kommentare

  • Antworten Mona 26. Januar 2016 um 8:46

    Danke! Das kam genau zur richtigen Zeit.
    Die Mutter eines guten Freundes ist gerade gestorben und ich wusste auch nicht wirklich, was ich ihm sagen soll. Jetzt weiß ich, was ich ihm sagen möchte.

    • Antworten Tasmetu 8. Februar 2016 um 23:00

      Ich hoffe es waren die richtigen Worte :)

  • Antworten Tinka 26. Januar 2016 um 10:03

    Danke :)

  • Antworten Susanne 26. Januar 2016 um 19:51

    Wunderschön geschrieben!

    Danke!

  • Antworten Jana 27. Januar 2016 um 18:10

    Wunderschön geschrieben. Ich habe bereits meinen Opa und meine Schildkröte verloren :( Beide Tode, seien es auch so unterschiedliche „Personen“ tat beides ziemlich weh und hat mich traurig gemacht. Ich finde, man sollte schon trauern, denn das hilft, wenn man alles rauslässt. Doch irgendwann es auch positiv sehen – wenn derjenige Schmerzen hatte etc. Denn, wie du so schön geschrieben hast, muss jeder irgendwann sterben.
    Ich mach es so, wenn ich mal auf eine Beerdigung gehe trage ich zwar schwarz, aber habe einen bunten Farbklecks (Schal z.B.) an. Denn ich will später auch mal nicht, dass alle schwarz rumlaufen wegen mir :(
    <3

    • Antworten Tasmetu 8. Februar 2016 um 23:00

      Auch um Haustiere darf man trauern.
      Danke dir für deinen Kommentar <3

  • Antworten Geekgeflüster Januar '16: Let's get nerdy | Geekgeflüster 6. März 2017 um 18:36

    […] ebenfalls einfach gut geschrieben, war ein tller Post von Tasmin von Tasmetu, die im Januar einen Post zum Thema Abschied veröffentlicht, der für mich ein bisschen mal wieder ein Beweis ist, dass Blogger nicht nur […]

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