Kolumnen / Autorenleben

In 31 Tagen zum >THE END< | Schreibhandwerk

Standard, 15. Juli 2015, Tasmetu,12264 Views8 Comments

„Ich kann das nicht. Wirklich. Ich habe noch nie etwas beendet, ich hasse es, Sachen wirklich fertig zu schreiben. Ich werde meine Geschichte nie beenden.“

So oder so ähnlich habe ich mich vor nicht allzulanger Zeit noch angehört. Doch jetzt ist alles anders.

Vielleicht haben es einige von euch von mitbekommen, aber ich schreibe an einem Buchprojekt. Um genau zu sein: Es handelt sich hierbei um ein Fantasybuchprojekt namens Avaly. Da ich insgeheim hoffe, eines Tages von einem Verlag veröffentlicht zu werden, verrate ich nicht mehr als den Titel und das Genre.

Den Großteil des Buchprojekts habe ich in 31 Tagen, also einem Monat, geschrieben – und möchte euch jetzt erzählen, wie es dazu kam.

Der unglückliche Plot

Die Idee für diese Geschichte entstand schon vor Jahren. Und auch die ersten Seiten entstanden vor mehreren Jahren. Aber ich blieb nie dran. „Ich habe einfach keine Zeit“ war meine Lieblingsaussage und bei dem Spruch „Wer etwas wirklich will, nimmt sich die Zeit“ habe ich hysterische Anfälle bekommen und innerlich geschrien „Ich würde ja gerne, aber ES GEHT NICHT“.
Also schrieb ich kurze Absätze, teilweise mit Monaten dazwischen. Und das hat man gemerkt. Aber so richtig. Ich habe für die ganze Story nie geplottet, alles war irgendwie durcheinander und es gab unzählige Logikfehler. Deswegen war ich irgendwann einfach nur noch unglücklich und unmotiviert. Was nicht gerade dabei hilft, weiterzumachen. Ich legte das Projekt weg, fing ein anderes an, legte das auch wieder weg.
Aber Avaly ging mir nicht aus dem Kopf. Diese große komplexe Idee wollte auf Papier, aber der Anfang musste sich komplett ändern. Ich las Blogposts über das Schreiben und lernte so z.B. die „Kill Your Darlings“ Methode kennen. Obwohl ich gerne eines Tages hauptberuflich Autorin werden möchte, hatte ich von so etwas keine Ahnung.
Ich veränderte den Plot, strich Charaktere, änderte die Reihenfolge und musste den gesamten Anfang neu schreiben, beziehungsweise komplett überarbeiten. Das ist keine angenehme Arbeit, v.a. wenn man wirklich seitenweise löschen muss. Aber ich habe die Zähne zusammen gebissen.
Du willst Autorin werden? Dann tu auch was dafür!
Das war mein Motto für diese Überarbeitung. Und es hat sich gelohnt. Nach der Überarbeitung war ich so glücklich mit dem Plot und plötzlich so in dieser Geschichte DRIN, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte zu schreiben. Das Feuer war entfacht.

Dranbleiben

Und ich stellte fest, dass alle mit diesem doofen Spruch „Wer etwas wirklich will, nimmt sich die Zeit“ recht hatten. Ich hatte festgestellt, wie sehr ich Autorin werden wollte, also musste ich mir Zeit dafür nehmen. Das war in einer stressigen Phase meines Lebens und ich war mich sicher, dass ich scheitern würde. Doch mein Freund half mir, in dem er mich oft an den gemeinsamen Wochenenden stundenlang vor meinem Laptop sitzen und schreiben ließ. Und so schrieb ich zum ersten Mal seit ich mit der Geschichte angefangen hatte, halbwegs regelmäßig.
Denn nur dadurch, dass ich jetzt in der Geschichte drin war und es keine Pausen von mehreren Monaten gab, blieb ich dran. Ich ließ auch die anderen Schreibprojekte ruhen. Ich konzentrierte mich nur auf diese eine Geschichte. Ich blieb dran. Und das war vermutlich das allerwichtigste.

Schreibnächte und andere Motivationen

Ungefähr zur gleichen Zeit lernte ich Jennie und mit ihr das Schreibnacht Forum kennen. Der Austausch mit anderen (angehenden) Autoren und vor allem die Schreibnächte waren riesige Motivationen für mich. Es half mir beim Dranbleiben und dabei, meine Geschichte aus anderen Perspektiven zu sehen und es gab so viele Tage, an denen ich nur deshalb am Manuskript saß, weil ein Schreibnacht Event war. Die Schreibnacht war ein fixer Termin im Kalender, der für das Schreiben geblockt war – also Zeit, die ich mir aktiv fürs Schreiben nahm. Die Schreibnacht hat mir diesen Schritt vereinfacht und die Community dort hat mich so oft motiviert, wenn ich aufgeben wollte. Sie haben mir in den Arsch getreten, sie haben mich dazu angespornt noch mehr zu schreiben und nicht aufzugeben. An dieser Stelle ein riesen fettes Danke an Jennie, an die gesamte Schreibnach Community – und an Henni, der ganz oft im Forum kleine Schreibtage veranstaltet die mir dabei helfen freie Zeit wirklich mit meinem Manuskript und nicht irgendwie auf YouTube oder so zu verbringen. <3
Doch es gab auch noch andere Motivationen. Das mein Freund mich immer wieder motiviert hat, habe ich oben bereits erwähnt. Auch an dieser Stelle ein Danke <3 . Auch andere Freunde haben mich unterstützt, immer wieder nachgefragt wie es läuft, zwei haben sogar angefangen das Projekt Beta zu lesen, mir Feedback gegeben und mir das Gefühl gegeben, dass diese Geschichte tatsächlich auch andere lesen wollen. Dieser Schritt, es anderen Leuten zu erzählen was ich tue und es sogar anderen zu ZEIGEN war für mich riesig. Ich hatte immer Angst davor gehabt, mein Manuskript fühlte sich nie gut genug an. Doch als ich endlich über meinen Schatten sprang, wurde es zu einer großen Motivation. Sie wollten weiterlesen, also musste ich weiterschreiben.

IMG_6248

NICHT das Ende

Zielsetzung ist wichtig. Das weiß ich schon länger und es ist mir nicht ganz klar, warum ich das auf fast alles anwende, außer auf mein Buchprojekt. Wie oben schon erwähnt habe ich früher nie was fertig geschrieben. Die Zahl meiner angefangenen Projekte ist riesig. Ich hatte also offensichtlich ein Problem mit dem Ziel, etwas ZU ENDE zu schreiben. Zusammen mit der Tabelle, über die ich gleich noch schreiben werde, habe ich mir also für jeden Tag ein Tagespensum vorgenommen. Ich wollte jeden Tag 500 Wörter schreiben. Das war kein so utopisches Ziel wie „Bis in 3 Monaten das Buch beenden!“ und doch eine Herauforderung. Ich nahm mir nie vor, ein Kapitel oder eine Szene oder das Buch zu Ende zu schreiben – ich nahm mir immer nur die Wortanzahl vor und wenn ich mehr geschrieben habe, war das auch gut. Ich konzentrierte mich immer nur auf die kleinen Schritte und plötzlich stand ich am Ende des Weges.

31 Tage

Auf Jennies Blog bin ich vor einer Weile auf eine 31 Tage Schreibtabelle gestoßen und dachte mir: „Hey, das probier ich aus!“ – daher kam auch das Tagespensum. Denn man nimmt sich für den Monat (bzw die nächsten 31 Tage) ein Gesamtziel vor und die Tabelle errechnet dir dein Tagespensum. Man trägt jeden Tag ein, was man geschafft hat und das Ganze wird in einer Tabelle grafisch angezeigt. Diese grafische Darstellung meiner Schreiberfolge spornte mich noch mehr an. Ich wollte jeden Tag mein Pensum schaffen, bestenfalls übertreffen. Und das habe ich auch.
Ich bin mit ca. 61.000 Wörter gestartet und wollte nach 31 Tagen bei 80.000 sein – das waren 19.000 Wörter und das fand ich realisitisch. An Tag 13 hatte ich die 80.000 plötzlich geknackt, denn sobald ich einmal am Manuskript saß habe ich fast immer deutlich mehr als das Tagespensum geschafft.
Dann setzte ich mein Ziel auf 90.000 hoch. 5 Tage später hatte ich das auch geknackt. Und da hatte ich immer noch 12 Tage über. Und so schrieb ich immer weiter.
Die 31 Tage gingen viel schneller vorbei als ich dachte und es fiel mir erstaunlich leicht, wirklich jeden Tag zumindest das Tagespensum zu schaffen. Es gab auch Tage, da habe ich kein einziges Wort geschrieben aber das war auch okay, ich hatte das an einem anderen Tag schnell wieder reingeholt.

Und plötzlich stand ich am Ende meines Buches. Und war absolut fassungslos, wie viel ich in so kurzer Zeit geschafft hatte – und das nur dank Selbstdisziplin und viel Motivation. Ich hatte etwas ZU ENDE GESCHRIEBEN!

Tag 31 war gerade erst 20 Minuten alt, als es während der Schreibnacht passierte.
Ich setzte am 11.07.2015 um 00:20 das THE END unter mein Projekt. Und war den Tränen nahe. Ich hatte es geschafft.
Natürlich stehen mir noch Bearbeitungen und Band 2 & 3 bevor, doch die größte Hürde die ich hatte war es, es zu Ende zu schreiben. Und jetzt hatte ich das Ende erreicht. In diesem Moment fühlte ich mich absolut unbesiegbar. :)

Jetzt weiß ich: Ich KANN etwas zu Ende schreiben. Ich KANN einen vollständigen Roman schreiben. Und deswegen KANN ich alle anderen Hürden die noch kommen auch bewältigen.

Ich glaube jetzt an mich. Und ich wünsche mir, dass ihr auch an euch glaubt. Gebt nie auf! :)

Das könnte dich auch interessieren

Goodbye 2016 – hello 2017

30. Dezember 2016

Das Gegenteil von Anmut

11. Februar 2016

Der Kampf mit dem Blatt | Schreibupdate

28. August 2017

8 Kommentare

  • Antworten Hekabe 15. Juli 2015 um 12:21

    Glückwunsch :)
    Und die „Kill Your Darlings“-Methode tut weh, muss aber im manchmal sein. (Ein Tutor von mir in der Uni hat das mal – zwar im Bezug auf Hausarbeiten, aber es kommt aufs selbe raus – mit „Kinder töten“ umschrieben, was nochmal ne Spur heftiger klingt, aber leider auch sehr treffend ist) Ich hab das gerade erst erlebt, als ich eine Perspektive bei mir rausstreichen musste, weil sie einfach unnötig/unwichtig war, ich aber die Figur dazu total gerne mochte. *schnüff*
    Aber ein schöner und motivierender Post :)
    lg
    Hekabe

    • Antworten Tasmetu 15. Juli 2015 um 12:42

      Oh ja :( Die, die ich rausgestrichen habe (aus dem kompletten Manuskript) war zum Glück noch nicht so weit entwickelt, dass ich sie geliebt hätte aber wehgetan hat es trotzdem :( Richtig schlimm fand ich es, gut geschriebene Stellen seitenweise zu löschen

  • Antworten Ni-chan 15. Juli 2015 um 13:09

    Wow! Herzlichen Glückwunsch! :) Das muss ein unbeschreiblich gutes Gefühl sein.
    Wahnsinn, wie dich die Tabelle angespornt hat und du über dich hinauswachsen konntest.

    An mich selbst glauben, das lerne ich gerade wieder.
    Für mein aktuelles Schreibprojekt, das ich schon sooo lange beenden möchte, habe ich mich nun endlich von meinem Perfektionismus verabschiedet. Ich weiß jetzt, dass der 1. Entwurf nicht perfekt sein muss. Das lässt mir beim Schreiben so viel Freiheit und motiviert mich. Schließlich will ich die Geschichte erstmal aus meinem Kopf und auf Papier haben. Die Überarbeitung kommt später, Schreiben ist erstmal wichtiger.
    Mal sehen, vielleicht probiere ich diese Tabelle aus :)

    • Antworten Tasmetu 15. Juli 2015 um 18:22

      Danke für deinen super lieben Kommentar :)

      Ja, das ist auch ein wichtiger Punkt: Der erste Entwurf ist nicht das endgültige Buch :) Und Schreiben soll ja auch noch Spaß machen :)

  • Antworten Evanesca Feuerblut 15. Juli 2015 um 22:37

    Glückwunsch! Jetzt kennst du auch dieses großartige Gefühl, ein Buch zu Ende geschrieben zu haben – es gibt fast nchts Schöneres, oder?
    Das mit dem überschäumenden Wordcount habe ich übrigens ganz ähnlich erlebt, schon bei vielen NaNos und Challenges. Und auch das motiviert so unglaublich…

    Wie geht es weiter? Überarbeitest du direkt? Schreibst du erstmal Band 2?

    • Antworten Tasmetu 15. Juli 2015 um 22:50

      Danke :)

      Da ich mich gerne an eine Agentur wenden möchte, wird erstmal überarbeitet und dann Band 2 geplottet :D

  • Antworten buecherdidi 30. August 2015 um 14:28

    Ja, das Erlebnis, mich nicht von tollen Figuren oder gut geschriebenen Passagen trennen zu können, kenne ich. Ich lösche sie daher nicht mehr komplett, wie früher, sondern verschiebe sie in meine „Steinbruchdatei“. Dort ruhen sie, bis ich sie irgendwie anderweitig verwenden kann – als Teil eines anderen Romans oder sogar als Teil einer neuen, eigens für diese Figur oder Szene geschriebenen Erzählung.

    • Antworten Tasmetu 31. August 2015 um 9:39

      Das ist natürlich eine gute Lösung, danke für den Tipp :)

    Verfasse einen Kommentar